Donnerstag, 21. Februar 2013

Einsätze an Biogasanlagen sind gut planbar


Lkr. Würzburg/Bergtheim – Mit rund 90 Teilnehmern war der Schulungsraum im Feuerwehrgerätehaus Bergtheim brechend voll, die Sitzgelegenheiten wurden knapp. Groß war somit die Freunde bei Kreisbrandinspektor (KBI) Michael Reitzenstein, der seine Feuerwehren zur ersten Fortbildung im Inspektionsbereich Nord/Ost eingeladen hatte.




Zwölf Biogasanlagen sind derzeit im Inspektionsbereich in Betrieb, Grund genug, dies zum ersten Thema der Fortbildungsreihe zu machen. So referierte Kreisbrandmeister (KBM) Mathias Olbrich mit Unterstützung von Biogasablagen-Betreiber Christoph Sauer über den grundlegenden Aufbau und die Funktion einer Biogasanlage, KBM Daniel Hölzlhammer gab eine Einführung in die Gasmesstechnik und KBI Michael Reitzenstein zeigte nötige Vorbereitungen für einen Einsatz bei einem Störfall einer Biogasanlage auf.

Bewusst werden zu diesen Schulungen nicht nur das Führungspersonal, sondern alle interessierten Feuerwehrkräfte der Feuerwehren aus dem Inspektionsbereich Nord-Ost des Landkreis Würzburg, der sich über Gramschatz im Norden über Hausen nach Eisenheim im Osten über Prosselsheim bis nach Theilheim, um die Stadt Würzburg herum über Veitshöchheim bis nach Thüngersheim im Westen erstreckt, eingeladen. Einmal im Monat sollen diese übergreifenden Fortbildungen stattfinden und die nächsten Themen sind bereits in Vorbereitung.

Aufbau und Funktion einer Biogasanlage
Je nach Betriebskonzept der Biogasanlage werden Wirtschaftsdünger, nachwachsende Rohstoffe, landwirtschaftliche Nebenprodukte oder Abfälle pflanzlicher oder tierischer Herkunft in den Bunker eingebracht und über einen Fermenter, ein beheizter (ca. 40° C), isolierter, luftundurchlässiger Behälter, zur Gärung gebracht und über weitere Nachgärbehälter Biogas erzeugt. Die dabei entstehende Wärme kann über Nahwärmenetze zur Beheizung von Gewächshäusern, Trocknung von Klärschlamm und Holz, oder auch für Wohn- und Betriebsgebäude genutzt werden. Das erzeugte Biogas treibt ein Blockheizkraftwerk mit Leistungen zwischen 380 und 500 kW/h an, wodurch Strom erzeugt wird, der mit 400V in das Netz eingespeist wird.

Je nach eingebrachten Produkten besteht das Biogas zu 45 – 75% aus Methan (CH4), 25 – 45% aus Kohlendioxid (CO2), 0 – 2% Wasserstoff (H2), 0 – 2% Schwefelwasserstoff (H2S) und 0-2% Sauerstoff (O2). Die Dichte liegt bei 1,22kg/m² (Luft 1,25kg/m²), die Zündtemperatur liegt bei ca. 700° C und der Explosionsbereich zwischen 6 und 22 Vol%. Der Geruch kann nach faulen Eiern, aber auch geruchlos sein.

Mögliche Gefahren lauern bei einer Biogasanlage an vielen Stellen. Die Gefahren an den Lagerstellen (Bunker, Silos, Gruben > Absturz, Verschüttung, Bewusstlosigkeit), am Fermenter selbst (Dach defekt, Gasaustritt, Brand, Absturz), am Blockheizkraftwerk (Brand im Maschinenraum, Strom- und Gasleitungen, Gasaustritt, Einlagerung von Schmierstoffen) oder am Leitungsnetz (gasführende und heißwasserführende Leitungen, Stromleitungen, teilweise auch Hochspannungsbereich) sind durch verschiedene Notbetätigungseinrichtungen und Einsatzvorbereitung gut in den Griff zu bekommen. So müssen die Anlagen mit einem Gashaupthahn, mit einem Absperrschieber für die Heißwasserleitungen und mit einem Not-Aus am BHKW ausgestattet sein.

Gasmesstechnik

Fach-Kreisbrandmeister für Atemschutz Daniel Hölzhammer gab im Anschluss einen Überblick über die Grundlagen der Gasmesstechnik. Im Feuerwehr-Einsatz können vielfältige chemische Stoffe angetroffen werden, die unterschiedliche Gefahren haben, sowie in unterschiedlichen Erscheinungsformen und Dichten vorkommen. Mögliche Erscheinungsformen sind die Aggregatszustände fest, flüssig und gasförmig, die Dichte lässt sich vereinfacht in schwerer bzw. leichter als Luft einteilen und mögliche Gefahren sind explosiv, sauerstoffverdrängend oder toxisch.
Nachgewiesen können chemische Stoffe durch verschiedene Verfahren, mit einfachen Indikatorpapieren, Öltestpapieren oder Wassernachweispaste, durch Prüfröhrchen, mittels Chipmesstechnik, mit Explosionsgrenzen- oder Ein- und Mehrgasmessgeräten.

Wichtige Begriffe in der Ex-Messung sind die Untere bzw. Obere Explosionsgrenze (UEG bzw. OEG). Zwischen UEG und OEG ist Gemisch in einem explosionsfähigem Zustand, darunter liegende Gemische sind zu mager, eine Explosion ist nicht möglich. Oberhalb der OEG ist das Gemisch zu fett, eine Explosion oder Brand ist nicht mehr möglich.


Grundsätzlich kann die Feuerwehr durch alle verwendeten Nachweis und Messverfahren nur eine ja/nein-Aussage treffen, d.h. ein Stoff ist vorhanden oder nicht.

Für einen evtl. Einsatz der Feuerwehr ist es wichtig, sich über die Situation an der Biogasanlage vorab zu informieren und die nötigen Unterlagen bereitzuhalten. Ein Feuerwehreinsatzplan, der nicht immer vorgeschrieben ist, leistet gute Dienste, eine Objektinformation sollte in Zusammenarbeit mit dem Betreiber erstellt werden. Gefahrenpunkte müssen eindeutig gekennzeichnet sein. Vor Ort sollten die Sicherheitseinrichtungen in Augenschein genommen werden und die Kontaktdaten des Betreibers bereitgehalten werden.

Einem Ex-Schutzzonenplan sind die Ex-Gefahrenzonen zu entnehmen. Bei Biogas sind regelmäßig folgende Zonen zu beachten:
  • Zone 0 Ständige, explosive Umgebung ? bei Biogas nicht vorhanden
  • Zone 1 Gelegentlich explosive Umgebung ? 1m um die Mündung von Abblaseleitungen bei Biogasanlagen
  • Zone 2 Selten bzw. nur kurz explosive Umgebung ? Innenraum des Fermenters und 1 – 3m um Be- und Entlüftungsöffnungen

Gefahrenmatrix und Einsatzgrundsätze


Bei der Einordnung der Gefahren hilft die Gefahrenmatrix der Feuerwehr

Kreisbrandinspektor Michael Reitzenstein ging in seinem Referat auf die allgemeinen Einsatzgrundsätze ein. So sollte bei Einsätzen an Biogasanlagen grundsätzlich mit dem Wind angefahren werden, Messgeräte sind frühzeitig zum Einsatz zu bringen und die Einsatzkräfte sind durch Pressluftatmer zu schützen. Der Einstieg in Gruben oder Schächten hat grundsätzlich nur unter PA und mit Sicherungsleine zu erfolgen. Die Entstehung von Zündfunken durch nicht Ex-geschützte Geräte ist zu vermeiden. Evakuierungs- und Warnmaßnahmen sowie Belüftung ist vorzubereiten.


Wie bei jedem ABC-Einsatz ist die GAMS-Regel als Hilfestellung anzuwenden.
  • G Gefahr erkennen
  • A Absperren (50 – 100m)
  • M Menschen retten
  • S Spezialkräfte anfordern

Mögliche Einsatzszenarien

Zum Ende der Fortbildung ging Reitzenstein auf mögliche Einsatzszenarien ein und berichtete von Störfällen an Biogasanlagen.
Ein mögliches Feuer am Fermenter oder am Gasleitungssystem ist solange nicht zu löschen bis die Gaszufuhr abgestellt ist, Restgas soll kontrolliert abgebrannt werden. Bei einem Feuer im Blockheizkraftwerk ist nach dem Stopp der Gaszufuhr mit Schaum, Pulver oder CO2 zu löschen. Bei einem Feuer im Schaltschrank, Niederspannungsverteiler oder Transformator sind die üblichen Abstände beim Löschvorgang zu beachten.
Bei einem Biogasaustritt ist der Brandschutz sicherzustellen und in der Umgebung ist die Gaskonzentration zu überprüfen. Geeignete Drucklüfter können zur Verwirbelung in Einsatz gebracht werden und die Austrittsstelle ist nach Ex-Zonenplan entsprechend abzusperren. 

Quelle: Dirk Wiesner, Team Öffentlichkeitsarbeit Kreisbrandinspektion Würzburg, Bereich Nord/Ost 

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